Prinzipien
Die Kampfkunst Wing Tzun ist nicht ein Sammelsurium von Einzeltechniken, sondern ein System das alle Kriterien einer funktionellen Selbstverteidigung erfüllt.
Die Kampfkunst Wing Tzun ist nicht ein Sammelsurium von Einzeltechniken, sondern ein System das alle Kriterien einer funktionellen Selbstverteidigung erfüllt.
Die im Wing Tzun umgesetzte Idee von der Nachgiebigkeit, Anpassung und Kraftausnutzung unserer Technik entstammt dem Taoismus. Als Naturphilosophie lehrt er, wie man übermächtiger Gewalt mit Nachgiebigkeit und Intelligenz begegnet. Wing Tzun ist in Bewegung umgesetzter Taoismus. Der Anwender selbst muss die Harmonie von Gegensätzen beherrschen indem er:
Das Maß der von ihm aufgewendeten Kräfte ständig verändert, damit es der Angreifer schwer hat, sich auf ihn einzustellen.
Die Wing Tzun-Techniken erfüllen alle Kriterien einer funktionellen Selbstverteidigung!
Methodische Kampfstile arbeiten mit festgelegten Bewegungen. Verteidigungshandlungen erfordern hierbei die exakte Einhaltung einer bestimmten Technik. Aufgrund der unendlichen Fülle an Angriffsmöglichkeiten und Kombinationen entsteht hieraus für den Verteidiger eine informationstechnische Schwierigkeit hinsichtlich der benötigten Zeit für die Entscheidung. Mit der Zahl der Techniken, auf die der Anwender zurückgreifen kann und soll, nimmt auch die Zeit für die Auswahl der richtigen Technik zu. Genau hier liegt die Problematik, da Zeitverzögerungen in der Praxis Risiko bedeuten. In der Rolle des Angreifers arbeiten methodische Stile mit sogenannten Kombinationen, einer Reihe eingeübter „konservierter“ Techniken.
Systematische Kampfsysteme wie das Wing Tzun beinhalten bei genauerer Betrachtung keine Technik. Das gesamte Handeln wird durch Kampfprinzipien oder vereinfacht ausgedrückt „Merkformeln“, bestimmt. Im Gegensatz zur methodischen Kampfweise lassen Systeme dem Anwender Freiraum für die Interpretation und Umsetzung der Prinzipien. Es gilt, die reine Funktion einer Bewegung zu erfüllen, nicht aber Zwingenderweise eine Bewegung auf eine bestimmte Weise auszuführen. Aufgrund dieser Tatsache kann der fortgeschrittene Anwender seinen eigenen, mit seinen Stärken und Möglichkeiten versehenen Kampfstil entwickeln.
Wing Tzun ist nicht ein Sammelsurium von Einzeltechniken, sondern ein System!
Alles im Wing Tzun basiert auf den folgenden Kampfprinzipien:
1. Prinzip: Ist der Weg frei, stoße vor und greife an!
Mit diesem Prinzip kann der Angegriffene das Kampfgeschehen von Anfang an „in der Hand behalten“: Der Wing Tzun – Kämpfer reagiert auf feindseliges Überschreiten der Sicherheitsdistanz mit der sogenannten Universallösung. Dabei spielt die Art und Weise des gegnerischen Angriffs keine grundsätzliche Rolle.
2. Prinzip: Stößt du auf Widerstand, bleibe mit Vorwärtsdruck kleben!
Falls der Angreifer das Vorstoßen des Wing Tzun – Kämpfers behindern kann, bleibt dieser an der gegnerischen Abwehr mit flexiblem Vorwärtsdruck kleben.
3. Prinzip: Ist die Kraft des Gegners größer, gib nach und nutze sie!
Aufgrund von Druckverhältnissen kommt es zu „taktilen“ Reflexen (Chi-Sao-Reflexe). Diese passiven, direkt durch den Gegner bestimmten („maßgeschneiderten“) Abwehrreflexe lassen die Angriffsenergie ins Leere laufen. Wing Tzun ist ein weicher Stil!
4. Prinzip: Zieht der Gegner sich zurück, folge ihm und greife an!
Aufgrund des ständigen Vorwärtsdruckes dringt man sofort und automatisch wie Wasser in jede sich ergebende Lücke. So ist das 4. Prinzip die Konsequenz des Vorwärtsdruckes.
Während man sich die Fähigkeiten zur Realisierung des 2. und 3. Prinzips im Chi-Sao-Training („klebende Arme“) aneignet, übt man das Zusammenspiel aller 4 Prinzipien im Lat-Sao (Freikampf). Das Bewegungsrepertoire erhält man aus den Wing Tzun – Formen.
Wer diese 4 Prinzipien unter sich ständig wechselnden praktischen Bedingungen in Bewegung umzusetzen lernt, wird keinen Fehler machen und nicht getroffen.
Der Bewegungsreichtum, den man im Wing Tzun vorfindet, wird durch die Wing Tzun – Prinzipien und bestimmte Bewegungsmuster kaum eingeschränkt.
Im Wing Tzun kennen wir 4 Arten, wie wir mit den in einer Kampfhandlung auftretenden Kräften umgehen. Zu betrachten sind hierbei die Einflüsse des eigenen Handelns und die des Gegners. Wir als Verteidiger, wie auch unser Gegner können durch Krafteinwirkungen das Geschehen zu unserem Gunsten positiv oder negativ beeinflussen.
Die Verteidigung auch gegen körperlich überlegene Gegner wird dabei durch die Kraftprinzipien ermöglicht.
Vier Merkformeln helfen uns dabei, dass wir uns bei der Verteidigung im Einklang mit den zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten befinden und den besten Wirkungsgrad erzielen:
Die 4 Wing Tzun – Kraftformeln
1. Mache Dich frei von Deiner eigenen störenden Kraft!
d.h. lerne Dich zu entspannen. Setze nur die Muskeln ein, die für die ausführende Bewegung gebraucht werden und entspanne zugleich die Gegenmuskeln (Antagonisten).
2. Mache Dich frei von der störenden Kraft des Gegners!
d.h. unterstütze den Gegner bei all seinen Handlungen durch Nachgeben oder Folgen, so dass dessen Kräfte auf uns nicht wirken können.
3. Benutze die Kraft des Gegners gegen ihn selbst!
d.h. ich richte mein Handeln so aus, dass der Gegner durch seine eigenen Aktionen benachteiligt oder verletzt wird. Hier kommt das Aufladen unserer Gliedmaßen mit geborgter Kraft des Gegners zum Einsatz. Ähnlich dem Loslassen eines gebogenen Astes geben unsere Arme beim Freiwerden die aufgestaute Angriffsenergie peitschenartig zurück.
4. Füge zur gegnerischen Kraft die eigene hinzu!
dadurch wird die Wirkung des unter „3.“ aufgeführten Merksatzes noch verstärkt.
Das Wing Tzun – System bereitet uns auf den kompletten Kampf in allen Phasen vor.
1. Kampf mit den Füßen
Verteidigung und Angriff in der langen Distanz
2. Kampf mit den Händen
Verteidigung und Angriff in der mittleren Distanz
3. Kampf mit Ellenbogen und Knien
Verteidigung und Angriff in der kurzen Distanz
4. Kampf mit Halten und Werfen
Verteidigung gegen Hebel, Halten, Würgen, Umklammern und Werfen
5. Kampf am Boden
Verteidigung und Angriff aus der Bodenlage
Wing Tzun hilft uns nicht nur im Kampf. Durch die integrierte Gymnastik der Formen, die fließenden Bewegungen und die entspannte, flexible Kampfweise lernt man seinen Körper natürlich einzusetzen. Das Training des Berührungsgefühls im Chi-Sao führt zu neuem Körperbewusstsein und zu lebendigen angepassten Reaktionen. Nicht zuletzt lernt man auch in Stresssituationen einen kühlen Kopf zu bewahren und erlangt ein gesundes Selbstbewusstsein.
Wing Tzun ist die reine Kunst der Selbstverteidigung!